Der Platz des Weihnachtsmarktes liegt verlassen. Die Buden erinnern an Kulissen aus Hollywoodfilmen. Von vorne gaukeln sie Weihnachtsfreuden und Glanz vor, von hinten sieht man simple Baracken aus Holz, lieblos angestrichen. Ein Fahrrad macht auf dem Gehweg Kopfstand, aus der Bahn geworfen, der Zukunft vorauseilend. Die letzten herrenlosen Weihnachtsbäume stehen dicht gedrängt, wie Vieh. Ein paar Jugendliche drängen sich in einem beleuchteten, heruntergekommenen Durchgang. Was sie am Heiligabend wohl auf die Straße treibt? Ansonsten erscheint die Stadt wie ausgestorben, die Schritte hallen weit, verloren. Nur durch einzelne Fenster sieht man hier und da einen leuchtenden Baum oder ein paar Kerzen, seltsam losgelöst und entkoppelt. Keine Menschen sind jetzt mehr zu sehen, weder auf der Straße, noch in den Häusern. Für wen scheinen die Lichter, für wen glänzen die Bäume?
„Bleib weg von offenen Fenstern!“
Der Satz weht ungesprochen und ungehört durch die leeren Straßen.
Der Kirchturm. Die Glocken untermalen die Zigarette. Die Glut knistert beim gierigen Atemzug. Der Hall der Glocken trägt weit, zerreisst die Stille, als läge eine unbändige Wut auf die Welt in den ehernen Tönen. Todesglockenhall. Das Jahr wird zu Grabe getragen, die Eskorte, das letzte Geleit steht bereit. Dabei sollte es doch der Anbruch einer neuen Zeit sein.
Stunden vergehen.
Was sagt das Gefühl, was der Verstand?
Vermögen Worte das zu fassen, das zu begreifen und das auszudrücken, was gefasst, begriffen und ausgedrückt werden muss?
Schnitt!
Noch mehr Zeit vergeht.
Die Nacht ist kalt, doch es bleibt die Ahnung, der Hauch einer warmen Berührung. Zerissenheit als Hochgefühl, zerissene Hohheit.
„Bleib weg von offenen Fenstern!“
Ungesprochen weht mir der Satz durch die leeren Straßen entgegen. Und ich? Ich…ja, ich stoße mich weg vom Fensterrahmen, zurück ins Licht, in das, was war, weg von dem, was sein könnte. Blicke kurz hinaus ins Ungewisse, begierig wartend auf eine Nachricht aus fernen, unbekannten Gestaden.
Nichts.
Stunden vergehen.
Die Kirchenglocken läuten zum letzten Geleit. Das alte Jahr nähert sich seinem Ende. Das Fenster steht noch offen.
Wenn man springt, fällt und den Aufschlag verpasst, so fliegt man. So sagt man zumindest.