Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen. Aber ich habe es trotzdem getan. Ihr fragt euch jetzt sicherlich, was ich gemacht hab. Ganz einfach, ich habe meinen Schrank verlassen. Nach endlosen Tagen in der ereignislosen Ödnis stieß ich auf eine kleine Stadt. Da dachte ich mir: hey, hier bin ich weit weg von der so genannten Zivilisation, hier kann mir nicht viel passieren! Die haben hier sogar ein bisschen Staub rumliegen und die Größe der Spinnen hält sich auch in Grenzen. Also steuerte ich auf ein kleines Café zu, stieg aus und wollte mir eine ruhige Zeit in dieser kleinen Lokalität machen. Ein bisschen vorsichtig blieb ich natürlich, also suchte ich mir einen Tisch in der Mitte des Raumes, möglichst weit weg vom bevorzugten Lebensraum der Spinnen, den Ecken. Ich ließ mir von der Kellnerin einen Milchkaffee bringen und machte es mir hinter einem nicht näher zu erwähnenden Boulevardmagazin (etwas anderes zu lesen gab es nicht und ich wollte nicht auffallen) so gemütlich wie möglich. In der Zeitung stand mal wieder nur etwas von Skandalen, Katastrophen, Gewalt und der neuesten Politikspielchen. Natürlich alles reduziert auf’s triviale, aber man kann sich ja wenigstens die Bilder angucken, wenn einen der Text schon nervt.
Während ich da also so vor mich hin entspannte – ja, ich gebe zu, ich habe es genossen – da wurde es plötzlich am Nebentisch lauter. Ich guckte interessiert hoch, was denn da so passiert. Da stand die arme Bedienung da und vor ihr ein junger Mann, mit einem imposanten Kaffeefleck auf dem T-Shirt. Der Kaffeefleck war gerade dabei die Bedienung zusammenzufalten, als sich jmd anderes einmischte und sagt, der Kaffeefleck wäre bedingt auch selbst Schuld, da er ohne Vorwarnung aufgestanden sei, als die Kellnerin an ihm vorbei lief. Dass die junge Frau den Zusammenprall gar nicht vermeiden hätte können und so weiter. Gut, nun wusste ich wenigstens wo mein Milchkaffee geblieben war und ich dachte mir auch nichts weiter dabei. Es war eine ganz normale Situation, an der nun niemand explizit schuld war, darüber kann man ja hinwegsehen…dachte ich. Aber nein, der Kaffeefleck ereiferte sich weiter und kritisierte mittlerweile die Kellnerin und denjenigen, der den Vorfall beobachtet und seine Meinung kund getan hatte. Okay, da muss ich Kaffeefleck ja mal verteidigen! Kann ja nicht sein, dass sich jemand erdreistet seine Meinung zu sagen oder ihn, den Kaffeefleck, zu kritisieren! Wo würden wir denn hin kommen, wenn ein Kritiker auch Kritik einstecken müsste, die vielleicht auf seine eigenen Verfehlungen zielt! Zum Glück sind meine Wollmäuse nicht hier, die würden auf Grund dieses skandalösen Verhaltens doch glatt in Ohnmacht fallen!
*räusper*
*klop*klopf*
Noch jemand zu Hause? Wenn ich Kritik loswerde, dann sollte ich doch auch in der Lage sein Kritik einstecken zu können, oder? Um das nochmal zu betonen, ich rede von Kritik und nicht von Beleidigungen oder ähnlichem! Einfach nur von simpler Kritik. Manchmal glaube ich, manche Menschen gehen davon aus, es sei ein Zeichen von Schwäche, wenn sie mal zugeben, dass sie auch nicht ganz optimal gehandelt haben oder einfach mal nachfragen, was genau denn gemeint ist, wenn die Kritik eher allgemeiner Natur war. Ich rede ja nicht davon etwas mit Humor zu nehmen! Gott bewahre! Humor ist ja mittlerweile eher ein Fremdwort für viele geworden. Aber ich schweife ab…
Kaffeefleck war mittlerweile auf Hochtouren angelangt und schien überhaupt nicht mehr für irgendein Argument zugänglich zu sein. Und da zeigte sich mir eine Reaktion, die ich mir kaum erhofft hatte! Eine Reaktion, die mir zeigte es gibt da draußen doch noch Menschen mit Verstand! Die Bedienung und der namenlose Diskussionsteilnehmer schüttelten die Köpfe und ignorierten Kaffeefleck! Sie schüttelten noch kurz die Köpfe und wendeten sich wichtigeren Dingen zu! Genau dies tat ich dann auch und siehe da, nach kurzer Zeit war scheinbar alle heiße Luft aus Kaffeefleck gewichen und er verschwand…einfach so…
Ich freute mich so sehr, dass ich den beiden vernünftigen Menschen zum Abschied eine Wollmaus schenkte mit der Bitte mich doch in Zukunft auf dem Laufenden zu halten und besetzte dann wieder meinen Schrank. Die Einöde schien nicht mehr ganz so trostlos und auch ich hatte wieder neuen Mut gefasst. Kurz vor der Stadtgrenze wurde mir gewahr, wie die Stadt hieß und ich kaufte mir noch schnell einen Wimpel, den ich außen am Schrank befestigte.
So ging es weiter, mit wehendem Wimpel, auf dem stand
…“Denknach“ …