Ich habe etwas getan, was in der, etwas euphemistisch ausgedrückt, bürgerlich-konservativen Bubble nicht sonderlich gut ankommt: Ich habe Feine Sahne Fischfilet interviewt. Zumindest den Bassisten. In der Zeitung.
Die Probleme an diesem Interview werden in den Kommentarspalten deutlich. Kurz gesagt: Wie kann ich es wagen, eine vom Verfassungsschutz beobachtete Band zu interviewen? Einwürfe, dass die Band nicht vom Bundesamt, sondern von Landesämtern beobachtet wird bzw. beobachtet wurde, bringen (natürlich) nichts.
Aber egal. Was auffällt: Es werden immer wieder drei Lieder angeführt, die den Linksradikalismus bzw. -extremismus der Band aufzeigen sollen. „Wut“, „Staatsgewalt“ und „Gefällt mir“. Wobei es übertrieben ist, zu sagen, dass die gesamten Lieder als Beispiel aufgeführt werden. Es werden immer nur einzelne Textpassagen genannt, fast unisono, auch über mehrere Nutzer hinweg.
Staatsgewalt
Besonders beliebt ist das auf dem Debut-Album „Backstage mit Freunden“ erschienene „Staatsgewalt“ (2009). Ein Album, das vergriffen ist und von dem sich Feine Sahne mittlerweile mehrfach distanziert haben. Die Zeit hat zu „Staatsgewalt“ im vergangenen Jahr zum Beispiel Folgendes geschrieben:
„Die [der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern] spinnen doch“, sagt Jan Gorkow, der Sänger von FSF, den alle nur Monchi nennen, wenn man ihn darauf [auf den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern] anspricht. Den Song Staatsgewalt spiele man schon lange nicht mehr: „Er ist uns schlicht zu platt.“ Der Vorwurf, das Lied rufe zu Gewalt auf? Ein „alter Schlapphut“.
Die Zeit, „Aber bitte mit Sahne„
Von Gegnern der Band wird vor allem „Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein.“ als Beispiel für die (allerdings nicht mehr gesungene) Staatsfeindlichkeit angeführt. Mancher geht noch einen Schritt weiter und zitiert noch die umliegenden Zeilen des eben genannten Ausschnittes:
Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen
Feine Sahne Fischfilet, „Staatsgewalt“ (2009)
Und schicken den Mob dann auf euch rauf
Die Bullenhelme – sie sollen fliegen
Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein
Und danach schicken wir euch nach Bayern
denn die Ostsee soll frei von Bullen sein
Natürlich sind das Gewaltfantasien gegen Polizisten. Aber, und das ist ein Punkt, der immer vernachlässigt wird, es ist eine Fantasie, die in einem Kontext steht. Denn, und darum geht es in Staatsgewalt in fünf von acht Strophen: Das lyrische Ich sitzt vor Gericht. Und wurde zuvor von Polizisten im Einsatz zusammengeschlagen.
Der Anfang des Liedes setzt den Kontext:
Blutiges Gesicht,
Feine Sahne Fischfilet, „Staatsgewalt“ (2009)
Aufstehn kann ich nicht.
Ich kann mich nicht bewegen.
Dafür komm ich vors Gericht.
Sie haben mich getreten.
Sie haben mich geschlagen.
Ich hab mich nur gewehrt
Und dafür woll’n sie mich verklagen!
Das lyrische Ich prangert hier eine bestimmte Form der Staatsgewalt an: Polizisten, die auf Menschen einprügeln. Mit Blick auf die Band: auf linke Menschen einprügeln. Ein Feindbild, das wohl schon so lange existiert wie der Punk: Links gegen Polizei. Aber auch ein Feindbild, welches oft genug eine Entsprechung in der Realität findet. Übertriebene Polizeigewalt wird von linken Gruppierungen immer wieder angeprangert.
Aber zurück zum Lied und zum Kontext, der oft genug vergessen wird. Im weiteren Verlauf des gerade einmal zwei Minuten und 22 Sekunden langen Liedes, wird weiter das Verprügelt-werden durch Polizisten beschrieben. Bis der Protagonist des Liedes seine Konsequenzen zieht. Vor dem zuvor zitierten Abschnitt mit dem eigenen Trupp heißt es:
Denn was ihr könnt,
Feine Sahne Fischfilet, „Staatsgewalt“ (2009)
Das können wir schon lange,
Und wir geben erst recht jetzt noch nicht auf.
Der Aufruf zur Gewalt entspringt also dem Kontext einer Rachefantasie. Sie hat im Lied einen ganz bestimmten Ursprung und richtet sich nicht gegen die Polizei im Allgemeinen, sondern gegen die als Feinde wahrgenommenen Beamten, für die in linken Kreisen auch ganz gerne der Begriff „Knüppelgarde“ benutzt wird.
Macht es das Lied besser? Das muss jeder für sich entscheiden. Ein allgemeiner Aufruf zur Gewalt gegen alle Polizisten ist es aber nicht. Die Band distanziert sich, auch wegen Texten mit sexistischem Inhalt, mittlerweile von dem Album „Backstage mit Freunden“. Dem Spiegel sagte Frontmann Jan „Monchi“ Gorkow dazu:
Auf ihrem ersten Album gibt es Lieder mit sexistischen Textpassagen, für die sie sich inzwischen schämen. Die einzige Entschuldigung, die Monchi gelten lässt. „Wir waren 18, 19 Jahre alt. Wäre dieses Album nicht ausverkauft, würden wir es nicht mehr vertreiben.“
Spiegel Online, „Die Staatsfeinde„
Gefällt mir
Drei Jahre weiter. 2012 erschien das Feine Sahne Fischfilet Album „Scheitern & Verstehen“. Darauf findet sich das Lied „Gefällt mir“. Hier zitieren Kritiker der Band vor allem die Zeilen „Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck! Gib mir ein „like“ gegen Deutschland“.
Auch das ist ziemlich aus dem Kontext gerissen, denn es geht auch hier um ein ganz spezielles Deutschland.
Leere, hohle Phrase. Schwarz, rot, gold im Gesicht
Feine Sahne Fischfilet, „Gefällt mir“ (2012)
Ob jetzt rechts oder links – man nun nerv‘ doch nicht!
Wir wollen doch nur feiern und die Party zelebrieren
Besoffen abhitlern, das kann ja mal passieren
Sechs Jahre nach der „WM im eigenen Land“, zwei Jahre nach dem 3. Platz der Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika und im Jahr der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine, wählt Feine Sahne wohl nicht umsonst diesen Einstieg. Schminke in den Farben der Nationalflagge der BRD gehört zu den festen Bestandteilen der Fußballkultur spätestens seit 2006. Von den einen als Party-Patriotismus kritisiert, von den anderen als neuer, guter Nationalstolz gefeiert, ist die Bezugnahme zu eben diesem „Deutschsein“ unverkennbar.
Aber auch die Bigotterie, die durch Sätze wie „Ich bin ja kein Nazi, aber…“ oder „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ verkörpert wird, wird in der zweiten Strophe aufgenommen.
Ihr habt nichts gegen Schwarze und ihr habt nichts gegen Schwule
Feine Sahne Fischfilet, „Gefällt mir“ (2012)
Ja da seid ihr euch gewiss, denn das lernt ihr in der Schule
Ihr seid ach so tolerant, ihr seid achso reflektiert
Und wenn Ronny nicht schuftet, hofft ihr, dass er krepiert
Feine Sahne Fischfilet zeichnen hier das Bild eines immer wieder von Links kritisierten Deutschlands. Das ist wenig überraschend und wird wohl auch deswegen quasi nie zitiert.
Darauf folgt ein Einschub im Lied, welches eher zitierfähig ist, aber auf den meisten Lyrics-Seiten im Netz nicht auftaucht – und die meisten Kritiker der Band haben ihre Aufreger-Zeilen eben von diesen Seiten.
Ponyhof statt Deutschland, das wär ne Idee
Feine Sahne Fischfilet, „Gefällt mir“ (2009)
Deutschland gib dein Handy, wir lieben das Klischee
Punk heißt gegen’s Vaterland, das ist doch allen klar
Deutschland verrecke, das wäre wunderbar!
Zentraler Satz ist hier „Wir lieben das Klischee“. Und „Deutschland verrecke“ ist seit Slime wohl eines der bekanntesten Punk-Zitate nach „Hey, ho, let’s go“.
Exkurs: „Deutschland verrecke“
Selbst wer Slime nicht kennt, hat schon von „Deutschland muss sterben“ gehört. Der Liedtitel ist zusammen mit einem in Hamburg stehendns Kriegerdenkmal aus der NS-Zeit zu sehen, auf dem steht: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“.
Dazu ein Auszug aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:
Um den Aussagekern des Liedes „Deutschland muss sterben“ in einer der Kunstfreiheit angemessenen Weise zu erkennen, darf auch ein zeitgeschichtlicher Bezug nicht ausgeblendet werden, auf den der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren hingewiesen hatte. In Hamburg, wo das Lied entstand, gibt es ein 1936 eingeweihtes Denkmal für das Hanseatische Infanterieregiment Nr. 76, welches die Inschrift trägt „Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen“. Diese Zeilen gehen auf ein Gedicht von Heinrich Lersch mit dem Titel „Soldatenabschied“ zurück, welches kurz nach Ausbruch des 1. Weltkrieges entstand. Anfang der 80-er Jahre hatte eine breite öffentliche, zum Teil emotionale Auseinandersetzung mit dem „76-er Denkmal“ und einem in unmittelbarer Nähe aufgestellten „Gegendenkmal“ von Alfred Hrdlicka eingesetzt. Die Hamburger Punkrock-Gruppe Slime hatte damals diese Thematik in ihrem Lied aufgegriffen und die provozierende Antithese „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ dem in Zeiten des Nationalsozialismus zu Denkmalehren gekommenen Spruch „Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen“ entgegengesetzt.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Gefällt mir (Fortsetzung)
Feine Sahne Fischfilet nehmen hier, quasi augenzwinkernd, Bezug auf das, was in Bezug auf Punk „allen klar“ ist. Ein wichtiger Teil des Liedes. Denn kurz darauf folgt die oft zitierte Stelle.
Heute wird geteilt was das Zeug hält
Feine Sahne Fischfilet, „Gefällt mir“ (2009)
Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!
Gib mir ein „like“ gegen Deutschland
Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!
Günter ist scheiße, Günter ist Dreck!
„Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck“ ist hier im Zusammenhang mit dem vorherigen Absatz zu sehen. Es ist allen klar, worum es im Punk geht, und genau dieses Klischee(?) erfüllen Feine Sahne hier. Günter (oder Günther) bezieht sich dabei wahrscheinlich auf Günter Grass und sein Israel-kritisches Gedicht „Was gesagt werden muss“, welches ebenfalls 2012 erschien. (Oder Günther ist einfach nur eine Anspielung auf den typischen Deutschen, der Linken ein Dorn im Auge ist. Heute würde man dazu Kartoffel sagen.)
Wut
Wieder drei Jahre weiter. Auf dem Album „Bleiben oder Gehen“ von 2015 erschien „Wut“. Das Lied wird im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen zum Jahr 2018 erwähnt. Der Kehrreim „Und der Hass – der steigt! Und unsere Wut – sie treibt!“ könne in Verbindung mit der Zeile „Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt“ als Aufforderung zu Gewalttaten interpretiert werden.
Hier wird munterer drauf los zitiert, wenn es um den Beleg für die Gefährlichkeit der Band geht, auch wenn meist der Teil aus dem Verfassungsschutzbericht herhalten muss.
An sich ist das Lied aber ähnlich wie „Staatsgewalt“ zu sehen, auch wenn die Prämisse eine andere ist.
Leere Gesichter, viele Fragen
Feine Sahne Fischfilet, „Wut“ (2015)
Niemand der ihnen Antwort gibt
Was können sie hier noch wagen
Heute Nacht – schlagen sie zurück!
Helme warten auf Kommando
Knüppel schlagen Köpfe ein
Wasser peitscht sie durch die Straßen
Niemand muss Bulle sein!
Die Knüppel, die hier Köpfe einschlagen, gehören nicht zum Lyrischen Ich, geschweige denn zu „den Linken“ oder zur Band. Sie gehören zur Polizei. Die Beamten (um die es hier geht, siehe Teil zu „Staatsgewalt“) werden so dargestellt, als würden sie nur auf das Kommando zum Knüppeln warten.
Dieser Teil der Polizei wird im Lied erneut als Gegenpart zum Lyrischen ich aufgebaut.
Verweis mich aus der Stadt
Feine Sahne Fischfilet, „Wut“ (2015)
Ich scheiß drauf was du sagst
Wer kein Rückgrat hat, der wird vereidigt auf den Staat.
Lieber Hartz 4 beziehn, im Bett bis um 4 liegen,
Bier trinken, Weed dealen, Speed ziehn,
Als Geld im Staatsdienst verdien
Es geht im Lied so weiter. Martinshörner zu hören, nervt den Protagonisten des Liedes, der „nicht frei von Sünde“ ist, aber dennoch vor tritt „zum Werfen“.
Mit “ Polizist sein heißt das Menschen mit Meinungen Feinde sind // Ihr verprügelt gerade wieder Kinder als wären’s eure Eigenen“ verlassen die Musiker den bislang eher gegen „Knüppelgarde“ oder „Bullen gerichteten Vorwurf erstmals. Sie pauschalisieren. Hier sind wirklich alle Polizisten gemeint, auch wenn aufgrund des weiteren Textverlaufs wieder die Einschränkungen sehen kann. Mit der Wortwahl macht Feine Sahne Fischfilet aber den „Generalverdacht“, dass für alle Polizisten Menschen mit Meinungen Feinde sind (und alle Polizisten ihre Kinder verprügeln) plausibler.
In den nächsten Zeilen wird betont, dass man lieber eine „Line Zement“ in die Nase ziehen würde „als down zu sein mit Rainer Wendt“. Wendt ist seit 2007 Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) – und steht regelmäßig für seine Äußerungen in der Kritik. So sprach Wendt unter anderem schon davon, dass „polizeiliche Einsatzmittel“ Waffen sein müssen, „die weh tun“, weil sie nur dann wirken würden. Er forderte auch schon den Einsatz von Gummigeschossen gegen (linke) Demonstranten; er ist Befürworter von Racial Profiling und er hat als „Schutz“ gegen Flüchtlinge auch schon Grenzzäune gefordert. (Alles, siehe Wikipedia)
Die Erwähnung von Wendt zeigt im Lied weiter, welche Art von Polizei (erneut) von Feine Sahne Fischfilet gemeint ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in der kritisierten Zeile „Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt“ wieder nicht von Polizei, sondern von „Bullen“ die Rede ist.
Fazit
Wie nahezu jedes Stück Liedgut, welches sich politisch positioniert, können auch die Lieder von Feine Sahne Fischfilet kritisiert werden. Dann aber doch bitte in einer Betrachtung der Gesamtzusammenhänge, in denen die einzelnen Lieder stehen. Oder doch zumindest im Zusammenhang des gesamten Liedtextes und nicht, wie vielerorts von Gegnern der Band gebetsmühlenartig wiederholt, aus dem Zusammenhang gerissen.