Migrantisch

Sarrazin und kein Ende. Da hat die SPD jetzt den Salat. Da hat Thilo eine „weitreichende Erklärung“ (Nahles) abgegeben, alle1 dachten nun sei alles wieder gut und dann das: Sarrazin demütigt die SPD, so titelte heute die taz. Mal ganz davon abgesehen, dass die SPD in Bezug auf Sarrazin kaum noch mehr gedemütigt werden könnte: Die Äußerung von Sarrazin ist in mehrerer Hinsicht merkwürdig. Ausgehend von folgendem Auszug aus dem taz-Artikel, stellen sich mehrere Fragen.

Bei einer Lesung aus seinem umstrittenen Buch im nordrhein-westfälischen Waltrop betonte er, dass er in seiner Erklärung vor der SPD-Spitze kein Wort von den Aussagen seines Buches zurückgenommen habe.

Als wäre das nicht Schmach genug, kritisierte er die Migrantenquote, die die SPD-Spitze angekündigt hat: „Der Verstand kommt und geht ja nicht damit, dass man Migrant ist.“ Und ätzte im Anschluss erneut in diffamierender Weise über Menschen mit Migrationshintergrund: „Je migrantischer diese Leute eingestellt sind, desto weniger neigen sie dazu, Probleme oder Schwierigkeiten objektiv zu sehen.

Wer bisher geglaubt hat, dass Sarrazin irgendwas von seinen Thesen zurückgenommen hätte, der hat die Erklärung bisher nicht gelesen, oder heißt Nahles/Gabriel mit Nachnamen. Aber darum soll es an dieser Stelle gar nicht gehen, auch nicht darum, was denn jetzt von einer „Migrantenquote“ in der SPD zu halten ist oder nicht. Interessant ist die Äußerung mit „migrantisch“ und „diese Leute“. Die taz (und andere Redaktionen) beziehen diese Äußerung auf „Menschen mit Migrationshintergrund“. Aber ist das eigentlich wirklich so?2 Sarrazin sagt ja nicht „je migrantischer diese Leute sind“, sondern „je migrantischer diese Leute eingestellt sind“. Migrantisch ist ein Adjektiv3 und wird hier adverbiell gebraucht, es beschreibt wie „diese Leute“4 eingestellt sind, es beschreibt nicht die Leute an sich genauer. Gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass „migrantisch“ als Adjektiv ungefähr folgendes bedeuten könnte:

  1. mit Migrationshintergrund
  2. Migranten/Migration positiv gegenüber eingestellt

Da ein Migrationshintergrund keine Einstellung sein kann, bleibt eigentlich nur die zweite Interpretation. Wenn man „migrantisch “ entsprechend ersetzt, würde der Satz also ungefähr Folgendes aussagen: Je positiver diese Leute Migranten/der Migration gegenüber eingestellt sind, desto weniger neigen sie dazu, Probleme oder Schwierigkeiten objektiv zu sehen.

Das zielt also, meiner Meinung nach, weniger gegen Menschen mit Migrationshintergrund, sondern eher gegen diejenigen, die nichts gegen eben diese Menschen haben. Ausgehend von dieser Interpretation kann man nun fragen: Was soll man aus dieser Äußerung für Schlüsse ziehen? Was meint Sarrazin? Sind „diese Leute“ (=Freunde der Migration) weniger objektiv, weil man halt weniger objektiv ist, wenn man von etwas überzeugt ist.5 Sind Menschen, die weniger „migrantisch“ im eben beschriebenen Sinne sind, deswegen zwangsläufig objektiver? Ab wann ist man denn dann zu „anti-migrantisch“, um noch objektiv zu sein? Gerade letzter Punkt ist interessant: Sarrazin sagt nämlich „je migrantischer eingestellt, desto weniger objektiv“ ist man. Der Umkehrschluss wäre also: je weniger migrantisch eingestellt, desto objektiver“. Und genau an dieser Stelle würde das Pflaster erst richtig gefährlich werden.

Was genau er meinte, das kann wohl nur Sarrazin selbst beantworten oder aber jemand, der die ganze „Rede“ gehört hat.6 Ich weiß nur, wenn Sarrazin nicht „migrantisch eingestellt“ ist, dann bin ich es gerne.

Ich habe übrigens lange nach einer gewissen „Pointe“ gesucht, aber so langsam fällt mir zur SPD und zu Sarrazin nichts mehr ein.

  1. Ja, wirklich alle. []
  2. Ich kenne den Rest der Äußerungen nicht, gehe also nur von diesem einen Zitat aus. []
  3. Ein ziemlich grausames und irgendwie inhaltsleeres. []
  4. Wer das auch immer sein mag. []
  5. Was eine gewagte Behauptung wäre, aber noch nachvollziehbar. []
  6. Eine eindeutigere Darstellung in den Medien würde natürlich auch helfen. []

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