Die NPD in Sachsen-Anhalt hat sich zur anstehenden Landtagswahl was ganz besonderes ausgedacht, nämlich den „NPD Wahlkompass“. Mit diesem kann der Besucher der Seite, der vielleicht die „Orientierung verloren“ hat, seinen politischen Kurs bestimmen. Damit das Land nicht „ausblutet“, kann man gucken, ob man „auf der gleichen Route“ segelt wier die braunen Kameraden mit den verlorenen Emails. Na, dann wollen wir mal gucken, mit was für Themen die sich so beschäftigen, und vor allem welche Antworten man so geben kann.
Die erste Frage beschäftigt sich damit, ob die Polizei in Sachsen-Anhalt die Sicherheit der Bürger gewährleisten kann. Welche Bürger denn nun vor welchen Gefahren geschützt werden sollen: egal. Die Antworten nehmen sich auch noch relativ harmlos aus. Zusammengefasst:
- Nach der Strukturreform ist alles gut und zukunftsfähig.
- Polizei wird von der Politik vernachlässigt und kann ihren Aufgaben nicht nachkommen.
- Strukturreform war weder positiv, noch negativ.
In Frage zwei geht es um die „Steuermiliarden“, die für die Wirtschaftsförderung ausgegeben werden. Als Beispiel wird die Solarenergie genannt und gefragt wird, ob man das Geld nicht lieber für mittelständische Unternehmen und die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze ausgeben sollte. Allein diese Frage impliziert, dass es zum Beispiel in der Solarbranche nicht um dauerhafte Arbeitsplätze gehen würde. Aber die Antworten werden noch besser und „zielführender“:
Es ist in Ordnung, wenn die Gewinne steuerfinanzierter Unternehmen später wieder in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland abfließen.
Die Wirtschaftsförderung, zum Beispiel im Bereich der Solarenergie, geht also scheinbar einher mit einem Abfluss des Geldes in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland. Wusste ich gar nicht. Passiert beides bei mittelständischen Unternehmen natürlich nicht. Mal gucken, was sonst noch so zur Verfügung steht:
Nein, die Steuergelder sollen einzig und alleine für den Erhalt künstlich geschaffener „Leuchturm-Unternehmen“ eingesetzt werden.
Versteh ich das jetzt richtig? Leuchtturm-Unternehmen, die also mit gutem Beispiel vorangehen, sind böse, wenn sie durch Wirtschaftsförderung entstanden sind? Oder liest man das besser in Reihenfolge, so dass sich ergibt: Solarbranche=Geld woanders hin=Leuchtturm-Unternehmen=schlecht? Auch hier gilt natürlich, dass Leuchtturm-Unternehmen nicht mittselständig sind/sein können und das alles mit dauerhaften Arbeitsplätzen nichts zu tun hat.
In der letzten Antwortmöglichkeit soll man sich dafür aussprechen, dass das Geld – also wahrscheinlich die Wirtschaftsförderung – welches größtenteils von den Klein- und Mittelständlern erwirtschaftet wird, auch doch bitte in diese zurückfließen soll. Wie? Keine Ahnung, wahrscheinlich mit einer „richtigen“ Wirtschaftsförderung.
Allein durch die Formulierung schließt sich Antwort 2 ja schon fast aus, da wohl kaum jemand einer derart negativ formulierten Sichtweise zustimmen würde.1
Bei der 3. Frage kommen wir dann mal in die Kernbereiche national“demokratischer“ Politik: Ausländer und so. Die Frage lautet:
In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit noch deutlich weniger Asylanten als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Soll Sachsen-Anhalt zum Einwanderungsland werden?
2008 gab es in Sachsen-Anhalt so oder so den geringsten Ausländeranteil in der Bevölkerung. 1,8%, das ist bundesdeutscher Niedrigstand. NRW hat einen der höchsten Stände in Deutschland, aber auch mal schlicht die meisten Einwohner. Was aber noch interessanter ist, ist die Verbindung zwischen „Asylanten“ und „Einwanderungsland“. Nun ist Asyl etwas anderes als Einwanderung. Asyl bekommen, vor allem im allgemeinen Sprachgebrauch, nur die, die irgendwie geartet verfolgt werden. Hinzu kommt, dass das Asylrecht für politisch Verfolgte in Deutschland ein Grundrecht ist, das in Art. 16a Grundgesetz verankert ist. Für Details siehe Wikipedia. Einwanderer hingegen sind eine viel, viel größere Gruppe und bedürfen nicht des Status der (politischen) Verfolgung. Mal ganz davon abgesehen, dass Einwanderer noch ganz andere Rechte besitzen. Von Spätaussiedlern, über Studierende bis hin zu Asylanten, all das sind Einwanderer, solange sie dauerhaft oder für eine längere Zeit nach Deutschland kommen. Aber man kann ja ein bisschen Stimmung machen, wenn man die Frage formuliert, Hauptsache der Döner an der Ecke schmeckt noch und man kann mal chinesisch essengehen.
Die Antworten fallen entsprechend aus, nur die 2. Möglichkeit nimmt sich etwas aus.
Nein, wir brauchen in Sachsen-Anhalt keine Verhältnisse wie in den „No-Go-Areas für Deutsche“, wie es sie beispielsweise in zahlreichen westdeutschen Städten gibt. Nur Touristen sollen hier bei uns willkommen sein.
Für Kriegsflüchtlinge und Verfolgte aus Diktaturen muss Platz und Geld da sein. Das zu gewährleisten ist unsere Humanitätspflicht.
Ja, ich wünsche mir überfremdete Städte, und wenn Ausländer ganze Stadtviertel annektieren, dann freue ich mich auf die damit einhergehende kulturelle Bereicherung meines Lebens.
Lassen wir die etwas alibimäßige Formulierung mit der Humanität, die sich als einzige eindeutig nur auf Asylanten beschränkt, mal außen vor, dann merkt man woher der Wind weht. Es wird von „No-Go-Areas für Deutsche“ gesprochen, was natürlich eine sofortige „Natürlich will ich das nicht!“-Haltung hervorruft. No-Go-Areas sind nie schön, egal wer sich da nun nicht hintrauen kann. Ob es diese Gebiete nun wirklich und wahrhaftig gibt, das sei mal dahingestellt. Aber auch die 3. Antwort schürt gewisse Aversionen bzw. zeigt eine recht deutliche Formulierung. „Überfremdete Städte“, die auch noch „annektiert“ wurden, gehen irgendwie nicht mit der „kulturellen Bereicherung“ einher. Vor allem, wenn man sich die zumindest unterschwellig klare Bedeutung von „Annexion“ mal deutlich in Erinnerung ruft:
Eine Annexion (von lat. annectere, „anknüpfen“, „anbinden“; auch als Annektierung bezeichnet) ist die einseitige rechtliche Eingliederung eines bis dahin unter fremder Gebietshoheit stehenden Territoriums in eine andere geopolitische Einheit. Die Annexion geht über die Okkupation (Besetzung) hinaus, da auf dem (ehemals) fremden Territorium die eigene Gebietshoheit de facto ausgeübt wird und das Gebiet de jure dem eigenen Staatsgebiet oder Kolonialreich einverleibt wird. Die Okkupation geht der Annexion meistens voraus.
Laut der NPD gibt es also keine „kulturelle Breicherung“ außerhalb einer Annexion. Es gibt nur „Überfremdung“ und Fremdübernahme, drunter geht in Bezug auf Einwanderer mal gar nichts. Antwort 3 mag durch das Satzende besser klingen, aber aus jedem Buchstaben brüllt dem Leser das braune Gedankengut entgegen.
Frage 4 geht wieder in den etwas „ruhigeren“, aktuelleren Bereich: Umweltzonen. Man wird gefragt, ob man der Einführung von Umweltzonen in Sachsen-Anhalt zustimmt oder nicht. Hier sind allerdings wieder die Antworten interessant:
Ja, Umweltzonen sind eine gute Sache. die davon ins Abseits gedrängten Unternehmen und Privatpersonen können sich ja neue Autos kaufen.
Wer es also gut findet, der klickt gleichzeitig an, dass man doch irgendwie – Entschuldigung – ein Arschloch ist, frei nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“. Während hier die Unternehmen nur kurz benannt werden, kommen diese bei Antwort zwei ganz groß raus.2
Nein, hiermit wird insbesondere den kleineren Unternehmen ein weiterer Klotz ans Bein gebunden. Außerdem ist klar bewiesen, dass Umweltzonen nur eine Alibifunktion erfüllen und nicht zum Umweltschutz beitragen.
Diese Antwort impliziert, für viele sicherlich nachvollziehbar, dass gerade kleine Unternehmen eh schon genug zu leiden haben – „weiterer Klotz am Bein“ – und außerdem dem Umweltschutz damit gar nicht geholfen wird. Ich hab keine Ahnung, ob es schon entsprechende Erhebungen zur Wirksamkeit gibt, aber wenn endlich mal die alten Dreckschleudern verschwinden, nun, das kann nicht so schlecht sein.3
Da man aber Umfragen auch etwas weniger drastisch formulieren muss, gibt es noch Antwort 3, in der es schlicht heißt:
Es sollte Ausnahmeregelungen geben.
Gibt es doch sowieso schon. Unter anderem gerade für Unternehmen.
Frage 5: Viele Einwohner Sachsen-Anhalts pendeln zur Arbeit oder gehen sogar ganz. Ob das nun eine notwendige Folge der Globalisierung sei.
- Ja, regt euch nicht auf.
- Finanzielle Entlastung der Pendler.
- Sachsen-Anhalt sollte aufhören Milliarden in „sinnlose Projekte zu pumpen“ und endlich vernünftig bezahlte Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt schaffen.
Ich nehme mal an diese sinnlosen Projekte sind die aus Frage 2.
Frage 6: Wie stehen Sie zum Euro?
- Hat viele Fehler, ist aber schon lange genug da. Behalten.
- Euro ist toll und hilft Europa.
- Ich will die DM zurück, Euro hat nur schlechtes gebracht.
Hm, ja, nun. Nicht so interessant, obwohl ich mir die parteiinterne Begründung für die Wiederkehr der DM durchaus vorstellen kann.
Frage 7 fragt nun nach der Bewertung des Wegfalls der Grenzkontrollen nach Osteuropa.
Es ist schön, man kann endlich jederzeit nach Polen, um Zigaretten zu kaufen, ohne kontrolliert zu werden.
Antwort 1 ist also aus Sicht der „Deutschen“ gegeben. Mich wundert so ein bisschen, dass sie nicht „Nutten“ geschrieben haben oder sowas in der Richtung. Aber unabhängig von dem, was man denn nun kaufen kann, impliziert die Antwort schon, dass es keine guten Gründe aus Sicht der „Deutschen“ zu geben scheint, eine Grenzöffnung zu befürworten. Das geht damit einher, dass die letzten beiden Antworten die Grenzöffnung durchgehend negativ konnotieren.
Ich denke, daß der Wegfall der Grenzkontrollen zu mehr Kriminalität in Grenznähe geführt hat und die Bürger daher unsicherer leben. Ich würde die Wiedereinführung der Grenzkontrollen begrüßen.
und
Eine gewisse Gefährdung unserer inneren Sicherheit ist damit schon verbunden. Wir sollten mehr Polizei ins Grenzgebiet schicken.
Es ist also scheinbar so, dass es außer Zigaretten nichts Gutes in Osteuropa gibt. Ich hätte ja wenigstens noch Wodka erwähnt, aber in der NPD wird wahrscheinlich nur Nordhäuser gesoffen.
Kommen wir zur achten Frage, wieder ein Leib- und Magenthema der NPD. Sexualstraftäter und ihre Bestrafung. Ob ich das für ausreichend halte? Ja, durchaus, aber diese Antwortmöglichkeit habe ich nur indirekt, nämlich bei Antwort zwei, die da heißt: „Ich denke, daß man versuchen sollte, sie zu therapieren.“ Therapie kommt in den anderen Antworten gar nicht vor, stattdessen wird sich wieder in Extremen geübt. Antwort 1:
Nein, ich denke für diese Art von Verbrechen müssen die Gesetze deutlich verschärft werden. Auch über die Wiedereinführung der Todesstrafe im Wiederholungsfall sollte nachgedacht werden.
Antwort 2:
Nein, die bestehenden Gesetze sind viel zu hart. Die Täter können oft nichts für ihre Neigungen.
Triebtäter können allgemein wenig für ihre Neigungen, deswegen kann man Triebe auch höchstens durch Therapie unter Kontrolle bringen, nicht durch Strafen. Todesstrafe schaltet natürlich auch Triebe ab, aber mal eine andere Frage: Wie hieß nochmal der NPDler, bei dem man Kinderpornos gefunden hat? Ach, der kam ja aus Sachsen, nicht aus Anhalt.
Frage 9: Ob man für den Anbau genetisch veränderter Lebensmittel ist.
- Nein.
- Mal probieren.
- Ja.
Wahrscheinlich die ausgeglichenste Fragestellung dieser ganzen „Umfrage“.
Frage 10: Entscheidungsmöglichkeiten des Volkes. Hier gehen die Antwortmöglichkeiten auch noch, wahrscheinlich weil man am Schluss etwas versöhnlicher sein wollte.
- Die Möglichkeit zur Volksbefragung sollte bestehen.
- Ja, weil das Volk schließlich bezahlen muss.
- Nein, Politiker wissen es besser als das Volk.
Die letzte Antwort geht natürlich schon wieder in Richtung „böse (System-)Politiker“, aber nun. Und ab geht es zur Entscheidung. Segel ich auf einem Kurs mit der NPD?
Zu erstaunlichen 15% tue ich das scheinbar und das macht mich für die NPD sogar interessant.
Sie befinden sich nicht auf dem rechten Kurs. Aber Ihr Interesse an unserer Seite zeigt, daß Sie bereit sind, sich mit unseren Argumenten und Positionen auseinanderzusetzen. Lesen Sie doch einfach mal unser Wahlprogramm. Vielleicht finden wir gemeinsame Wege, um unser Land durch stürmische See zu steuern.
Danke, ich verzichte. Wirklich.
Wenn ich bei google „NPD Wahlkompass“ eingebe, ist dieser Blogeintrag auf Platz 5 😛
Mit den “ “ sogar das einzige Suchergebniss. Naja, besser man landet hier, als da 😉