Wenn man Zusammenfassungen über Veranstaltungen schreiben muss, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder die Veranstaltung war so schlecht, dass man sich seinen Frust über die vertane Zeit in einem Verriss von der Seele schreiben kann, die Veranstaltung war nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich gut, oder aber sie hat einen so begeistert, dass die Lobhudelei selbst dem Schreibstil von Rosamunde Pilcher Konkurrenz machen würde. Wenn man nach dem gehen würde, was so manche Stammgäste des Hirschen im Vorfeld so von sich gaben, dann schien es eigentlich sicher, dass dieser Eintrag ein Verriss werden würde. Denn mal ehrlich: Aurich und „Kneipen Comedy“? Sowas kann doch gar nicht funktionieren, außerdem kennt doch kein Schwein die Künstler, die gestern aufgetreten sind. Wer sich nicht von dieser Meinung abbringen lassen möchte, der sollte nach dem Klick besser nicht weiterlesen, sondern sich vielleicht diesen älteren Artikel durchlesen. Wer einen Eindruck gewinnen möchte, warum sich Experimente manchmal doch lohnen, der klicke!


Ich gebe durchaus zu, dass ich anfangs skeptisch war und wahrscheinlich selbst nicht hingegangen wäre, wenn mich Arno Fecht nicht netterweise kostenlos hereingelassen hätte, damit ich ein paar Fotos machen und diesen Blogeintrag schreiben kann. Ich bin als gebürtiger Auricher eben auch nicht ganz gefeit gegen den alten Grundsatz, dass der Bauer nichts frisst, was er nicht kennt. Es lohnt sich allerdings manchmal, über den eigenen Schatten zu springen, wie die Comedy Night gezeigt hat. Das Prinzip der Veranstaltung war einfach, aber für Auricher Verhältnisse nahezu revolutionär. Drei Comedians und ein erfahrener Moderator bestreiten den Abend, wobei jeder Künstler zweimal 20 Minuten Zeit hat. Das alles ohne einen Wettbewerbsgedanken, auch wenn Dieter Bohlen kurzzeitig – parodiert durch Thorsten Bär – sein Stelldichein gab. Die 10€ Eintritt hielten so manchen „Stammgast“ sicher fern, was dem Abend aber wahrscheinlich sehr gut tat. Im Gespräch mit dem Moderator und Comedian Thieß Neubert konnte man nämlich erfahren, was das Problem bei „Kneipen Comedy“ sein kann, wenn kein oder zu wenig Eintritt verlangt wird: uninteressierte Gäste kommen trotzdem und stören vielleicht die Veranstaltung.1 So fanden sich am Mittwochabend ca. 80 interessierte Zuhörer im Hirschen zum ersten Experiment dieser Art, zumindest in Aurich, ein.

Sehr gut gelang ihm das Kunststück, selbst Teile seines eigenen Programmes zum Besten zu geben, ohne dabei zu sehr seine Rolle als Moderator zu verlassen und damit die eigentlichen Künstler in den Hintergrund zu drängen. Nicht, dass Götz Frittrang, Thorsten Bär und Florian Simbeck es nicht vermocht hätten, das Publikum zu begeistern. Dabei war dieser Abend für die Comedians auch fast so eine Art Premiere, da normalerweise die Künstlermischung eine andere sei: Nur Stand-Up Comedians wären eher die Seltenheit. Aber das Konzept hat funktioniert. Die Kombination Frittrang-Bär-Simbeck bot für jeden Humor ordentliche und abwechslungsreiche Lacher. Besonders erfrischend war die Atmosphäre, die eine Kneipe dabei zu bieten hat. Die Künstler, die gerade nicht auf der Bühne waren, standen an der Theke und somit zwischen den übrigen Gästen. Sie lachten und applaudierten genauso mit, wie alle anderen und man sah ihnen den Spaß an der Sache an. Soetwas bei Veranstaltungen in großen Hallen zu erleben ist nahezu unmöglich. Die Inhalte, die von den Auftretenden abgehandelt wurden, waren ebenso vielfältig wie unterhaltsam. Von altbekannten Gassenhauern über Männer und Frauen bis hin zu polit-kabarettistisch angehauchten Einlagen war alles dabei. Dies alles nachzuerzählen ist allerdings ziemlich sinnlos und es geht auch gar nicht. Aus diesem Grund einfach ein paar ausgewählte Videos, gepaart mit ein paar weiteren Infos zu den Künstlern.2 Ich bitte allerdings zu beachten, dass die Herren live noch ein ganz anderes Format haben – auch Video kann nicht alles einfangen, was wichtig ist.
Götz Frittrang, der aus Schwaben nach Oldenburg zog, geht noch am ehesten in die Richtung (politisches) Kabarett. Durch Zufall landete er bei seinem Auftritt in Aurich einen besonderen, komödiantischen Volltreffer, als er folgendes erzählte: Als Thiess Neubert ihn wegen des Auftrittes anrief, verstand er erst, dass der Auftritt im „Anus Hirsch“ stattfinden würde und er war erstaunt und erfreut über die offensichtlich aktive „Gaycommunity“ in Aurich. Nun heißt das Lokal bekanntermaßen „Arno’s Hirsch“, aber alle Auricher werden verstehen, warum dieser kleine Verhörer für allgemeine Erheiterung sorgte.
Thorsten Bär bei Nightwash
Thorsten Bär | Myspace Video
Thorsten Bär ist gebürtiger Hesse und Wahlhamburger. Das besondere an seinem Auftritt im Hirschen war, dass den Gästen ein Stück dargeboten wurde, mit dem Thorsten Bär im Finale des NDR Comedy Contest antreten wird. Sobald es das entsprechende Video zur „Todesfahrt nach Honolulu“ gibt, wird es nachgeliefert.
Florian Simbecky macht es einem schwer, denn passende Videos zum dargebotenen Programm gibt es leider nicht. Der „Tontechniker“ des gestrigen Abends, Matthias Steenblock, hat aber einen kurzen Zusammenschnitt des Abends bei Youtube online gestellt. Forian Simbeck sieht man ungefähr ab Minute 3.

Hat sich der Abend also gelohnt? Definitiv! Daher verwundert es nicht, dass Arno Fecht und Thiess Neubert direkt im Anschluss schon über Möglichkeiten diskutierten, eine regelmäßige Veranstaltungsreihe in Aurich zu etablieren. Seit März diesen Jahres gab es schon vier entsprechende Veranstaltungen in der „Kleinen Kneipe“ in Bad Zwischenahn, die nächste Veranstaltung dort wird wahrscheinlich im Februar stattfinden, so Neubert. Hoffentlich spätestens dann auch wieder in Aurich, vor ausverkauftem Saal. Ob dann wieder mit dem „friedfertigen Diplom-Germanist“ Götz Frittrang, dem hessischen Hamburger Thorsten Bär, „Ex-Stefan“ Florian Simbeck, der selbstironisch feststellte, dass er sich heute Text merken muss und nicht mehr mit 90 Minuten „Alda“ auskommt, auf der Bühne stehen, oder aber andere begabte Jungkünstler bleibt abzuwarten. Wenn Neubert und Fecht weiterhin so ein Händchen bei der Auswahl beweisen und das Auricher Publikum vielleicht noch etwas experimentierfreudiger wird, dann steht dem Erfolg der Veranstaltungsreihe sicher nichts mehr im Weg. Live-Musik im Hirsch kennt man und nun hat Arno Fecht bewiesen, dass auch Comedy im Hirschen machbar und erfolgreich ist.
Neid…
Also ich gehöre wohl zu der Fraktion „10EUR für Leute,die man nicht kennt?!“, hätte aber wohl dennoch Spaß an einer solchen Veranstaltung gehabt, das „Risiko“, enttäuscht zu werden war aber einfach zu groß.
Über die Besucher-Zahl 80 bin ich allerdings SEHR erstaunt, waren es bis Dienstag Mittag doch gerade einmal 16 verkaufte Karten, wie ich aus sicherer Quelle weiß. Da waren wohl noch sehr viele Kurzentschlossene anwesend.
Naja, sofern es ein nächstes Mal gibt, kann man ja zur Fraktion „No risk nu fun“ wechseln 😉
Es sind tatsächlich noch relativ viele Leute spontan dageblieben, nachdem sie über den Abend aufgeklärt worden sind.