„Ich möchte mit Ihnen über einen Vermittlungsvorschlag sprechen.“

Am 29. September bekam ich einen Brief von der ARGE Aurich. Der Betreff, schön fettgedruckt, war: 1. Einladung. Nach der Anrede ging der Brief dann so weiter:

bitte kommen Sie am 07.10.2010 um 10:00 Uhr in die Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Soziales Aurich, D 26603 Aurich, Fischteichweg 7-13, Raum 3.062.

Ich möchte mit Ihnen über einen Vermittlungsvorschlag sprechen.

Es werden Ihnen verschiedene Stellenangebote vorgestellt.

Danach kamen dann die üblichen Rechtsbelehre, was bei Nichterscheinen passieren könnte usw. Was erwartet man das als Normalbürger, wenn man dahin geht?

Wahrscheinlich ein Einzelgespräch mit Stellenangeboten, die zumindest entfernt etwas mit den eigenen Qualifikationen zu tun haben. Hätte ich mir, da ich schon zweimal bei der ARGE war, diesen gesunden Menschenverstand schon abgewöhnen sollen? Mich erwartete im Raum 3.062 jedenfalls kein Einzelgespräch, sondern eine Gruppenveranstaltung. So ungefähr 15 Personen saßen in diesem Raum, teilweise genauso verwirrt wie ich, und harrten der Dinge, die da kommen mögen. Vorne waren drei Personen mit Namensschildchen1 und erklärten dann, was das für eine Veranstaltung sei. Kurz gefasst: ein bisschen Werbung für die ach so tollen Zeitarbeitsfirmen in der Region (so ungefähr 60, wenn ich das richtig verstanden habe) und die in der Einladung angekündigten „verschiedene[n] Stellenangebote“. Dann wurden alle zu diesem Termin eingeladenen Menschen fein säuberlich namentlich aufgerufen und bei Anwesenheit auf der Anwesenheitsliste abgehakt. Ich steh ja darauf neue Namen zu lernen, leider hab ich mir den Namen der niedlichen Blonden hinten links nicht gemerkt. Schande auch, da bekommt man mal Namen und dazugehörende Personen auf dem Silbertablett präsentiert und dann sowas. Nach dieser Anwesenheitskontrolle wurde nochmal im Detail Werbung für die Zeitarbeitsfirmen und ihre tollen Verträge und Erfolgsquoten gemacht, bis uns einer der beiden Mitarbeiter einen Bewerbungsbogen ausgab. Laut PowerPoint sollte das zwar erst nach den Stellenangeboten passieren, aber sorum war es doch irgendwie sinnvoller.2 Auf diesem Bewerbungsbogen durfte man dann wieder das übliche angeben: Name, Anschrift, Kontaktierungsmöglichkeiten, Abschluss und in welchem Bereich man denn arbeiten möchte. An der Stelle habe ich dann mal ein neues Feld dazugemalt, denn so wirklich was für meinen Bereich war nicht dabei. Dann mal wieder angeben welche Qualifikationen man denn so hat und, ganz wichtig: ganz unten ankreuzen, dass meine Daten doch nicht pauschal an Dritte weitergegeben werden dürfen. Während des Ausfüllens ging dann noch ein Zettel mit 30 Stellenangeboten rum. Diese Liste wurde dann durchgegangen: Kurzbeschreibung was genau es ist, dann die Frage „Interessiert sich jemand dafür?“, wenn nicht weiter zum nächsten Angebot. Erstaunlicherweise interessierte sich kaum jemand für die Stellenangebote. Faules, asoziales, arbeitsloses Pack halt. Oder vielleicht lag es auch einfach daran, dass die Stellenangebote nicht auf die Qualifikationen der Eingeladenen abgestimmt waren. Ist halt schlecht, wenn Köche, Fleischer o.ä. gesucht werden, aber kein ausgebildeter Koch oder Fleischer da ist. Die Herren Arbeitsvermittler sind ja aber nicht doof, Produktionshelfer wurden auch ganz, ganz viele gesucht. Wer da noch etwas in seinem angestammten Bereich für den er ausgebildet ist sucht, der weiß es wahrscheinlich nicht besser.

Interessant waren aber so die Informationen, die man zwischendurch so erhalten hat. Die Einladung zu diesem „Vermittlungsgespräch“ haben wohl so ca. 300 Leute bekommen, die sich an verschiedenen Terminen zur ARGE begeben dürfen, um sich an dieser Veranstaltung zu beteiligen. Die Einladung hat – bei mir – zwei Seiten. 600 Seiten wurden also gedruckt, eingetütet und verschickt. In der Veranstaltung selbst gab es nochmal zwei Zettel. So ein Aufwand für ein „vielleicht ist ja jemand dabei, der sich dafür interessiert“? Mag ja klappen, aber man fragt sich dennoch unwillkürlich: Warum gebe ich alle naselang meine Qualifikationen an? Damit ich zu sehr allgemein gehaltenen Veranstaltungen gehen darf, nur um erneut meine Qualifikationen anzugeben3 und festzustellen, dass ich nahezu vollkommen aus dem „Beuteschema“ der ARGE herausfalle? Ich fühle wirklich mit denen, die das schon länger über sich ergehen lassen müssen.

Eine weitere interessante Information war übrigens, dass es eine Firma hier in Aurich gibt, die ihre Einstellungen wohl komplett über die ARGE macht. An sich ja sehr vernünftig, bloß wenn der Herr Mitarbeiter dann sinngemäß Sachen sagt wie: Initiativbewerbungen oder allgemein Bewerbungen, die nicht über die ARGE laufen, haben bei der Firma eigentlich keine Chance und es gäbe sogar einen Mitarbeiter bei der ARGE, der sich fast ausschließlich um genau diese Firma kümmert, dann wandern zumindest bei mir die Augenbrauen nach oben. Die haben also dort eine Personalchefin, die die Vorauswahl von der ARGE erledigen lässt? Für sowas wie „Produktionshelfer“? Scheisse, so einen Job hätte ich auch gerne, wirklich. Sowieso ist es ein schöner Schachzug, dass man sich auf die entsprechenden Stellen nicht direkt bewerben konnte, sondern nur auf seinem Bewerbungsbogen die entsprechende Nummer angegeben hat und die ARGE macht dann irgendwie den Rest.

Abschließend mal ein paar kleine Tipps zur Arbeitsoptimierung:

  • Ladet gezielt ein! Jeder, der sich arbeitslos meldet, muss so viele Daten speziell über seine Qualifikationen angeben. Nutzt die Datensätze und erspart einem die ewige Sitzerei. Oder gebt wenigstens Kaffee aus.
  • Ladet gezielt ein!
  • Fragt nicht immer das Gleiche ab!
  • Ladet gezielt ein! Auch meinetwegen zu solchen Massenveranstaltungen.
  • Fragt mal was anderes!
  • Nutzt die verdammten Datensätze!
  • Schreibt in die Einladung, was einen erwartet, dann wage ich wenigstens nicht mehr zu hoffen, dass ihr etwas für jemanden mit einem 1. Staatsexamen Lehramt haben könntet.
  • Plaudert weiter aus dem Nähkästchen, mich interessiert sowas immer.
  • Ladet gezielt ein, verdammich!

Schönen Tag noch.

  1. Einer davon verschwand irgendwann wieder, ohne sich vorgestellt oder irgendwas gesagt zu haben. []
  2. Wobei „sinnvoll“ bei dieser Veranstaltung sehr, sehr relativ zu sehen ist. []
  3. Die Zettel sehen wenigstens jedes Mal anders aus, so ist es ja nun nicht. []

10 Gedanken zu „„Ich möchte mit Ihnen über einen Vermittlungsvorschlag sprechen.““

  1. Achja, wer mir schöne Aufkleber schicken will, die ich dann mal verteilen könnte, der findet meine Adresse natürlich im Impressum. Sowas wie „gefällt mir nicht mehr“, „#fail“ oder „#wtf“ nehme ich gerne.

  2. Dein Fehler ist folgender … du musst nach der Garderobe suchen, also da, wo auch die Angestellten ihr Hirn abgeben. Der Fehler bisher war nur, dass du dein Hirn vorher noch nicht abgegeben hast. Es kommt zu Verwirrungen, wenn du versuchst, dein noch nicht abgegebenes Hirn, zu benutzen. Das ganze ist wie folgendes Zen-Rätsel: “ Welches Geräusch entsteht beim Klatschen mit einer Hand?“. Die Erleuchtung oder in deinem Fall das Verständnis kommt nicht dadurch zustande, dass du versuchst die Arge zu verstehen (der Vernunft gemäß), nein, dass Verständnis muss einer Erleuchtung gleich, einfach so über dich kommen.

    In diesem Sinne: Ommmmh!

  3. @Dope: Ich kann dir recht genau sagen, welches Geräusch da entsteht. Wirklich eines der dusseligsten Zen-Rätsel, die ich kenne (aber das liegt bestimmt an der Übersetzung).

    Mal sehen, wie sich das nach meinem Abschluss bei mir darstellt mit der ARGE.

  4. ich bin für die passierschein-nummer…wobei ich bezweifle, dass die bei abgegebenen gehirnen funktioniert.eigentlich müsstest du mit ständigem dazwischen-fragen und regelmäßigem hinweisen auf deine qualifikationen darauf aufmerksam machen, dass dich solche pseudo-effizienten veranstaltungen peripher tangieren…aber bitte verständlich ausdrücken;-)

  5. *in erinnerungen schwelg* der Ablauf meines ersten Vermittlungsgespräches hinterlies in mir ein ähnliches Gefühl, obwohl ich allein mit meiner (nicht ganz unattraktiven) Sachbearbeiterin war, irritierte es mich doch ein bisschen, dass das angekündigte Gespräch über Stellenangebote hauptsächlich aus einer gemeinsamen Recherche bei jobbörse.de bestand. Nicht das ich dieses Portal bereits kannte, sowie 99% der mir vorgestellten Stellenangebote, aber so ein bisschen menschliche Zuneigung war ja auch schön….früh um 8.00…. in Leipzig! 😉

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