Journalistische und nackte Tatsachen

Magdeburger Studenten haben sich auch dieses Jahr wieder im gängigsten Kostüm der Welt für einen Kalender ablichten lassen. Das Projekt un.geniert hat sich, und das ist wichtig, aus Spaß an der Freude zusammengefunden. Die letzten beiden Kalender waren mehr oder weniger beliebt und es sollte interessierten Studierenden erneut die Möglichkeit gegeben werden, sich für ein gemeinnütziges Projekt1 zur Verfügung zu stellen und andere mit ihrem Aussehen zu begeistern. Dieses Anliegen ist auch zu den meisten Presseorganen durchgedrungen, auch wenn fast kein Artikel ohne inhaltliche Fehler auskommt. Irgendwann kam dann aber das Presseorgan mit den vier großen Buchstaben dazwischen. Vorher sahen die Überschriften und Aufmacher ungefähr wie folgt aus:

Die Volksstimme Magdeburg am 20.11.2009:

Ein nackter Drummer und weiteres Ungeniertes

In dieser Woche stellten Magdeburger Studenten in der Festung Mark ihren dritten Aktkalender vor. Er heißt „un.geniert“, gerade so, wie die künftigen Akademiker an die Sache herangingen. Die Sache, das ist sowohl das hüllenlose Posieren vor der Kamera als auch die Bewältigung all dessen, was bei einer Kalenderherstellung bedacht werden muss. Jetzt ist das Erzeugnis fertig und man darf sich auf jeden neuen Monat im Jahr freuen.

Dann kam die BILD am 23.11.2009:

Nackt-Studenten! – Zu wenig BAföG für Klamotten?


Mit blanken Busen sitzen die Studentinnen im Hörsaal, ihre Kommilitonen zeigen ihre bloßen Hinterteile. Revolte an der Uni Magdeburg? NEIN! Alles nur Show – für einen Kalender!

Man beachte die Überschrift, die ja gut zu den aktuellen Protesten der Studierendenschaft passt, und gucke dann auf den Aufhänger, in dem groß „NEIN! Alles nur Show“ steht.2 Leider ging dieses klitzekleine Detail dann bei späteren „Bearbeitungen“ der Meldung verloren. So titelte die englische SUN:

Students vent their naked fury
THESE uni students certainly get top marks from us after they got their kit off for a saucy calendar.

The undie-graduates peeled off their clothes in a protest against university fees and are using proceeds from the sizzling calendar to boost their campaign.

Ähnliches liest man bei der Austrian Times und der Croation Times:

Undie-grads top marks

These undie-graduates are earning top marks with fans after stripping off for a sizzling calendar to boost their protest against university fees.

Als Grundlage, ganz wie es journalistischen Grundlagen entspricht, hat die SUN sich scheinbar an der englischen Übersetzung des eingangs erwähnten BILD-Artikels orientiert, wobei man an dieser Stelle erwähnen muss, dass sich der Aufhänger in der englischen Version, zumindest für mich als nicht Anglisten, auch etwas anders liest, als die deutsche Version:

Are these naked students too poor even to buy clothes?

Full of naked students, it’s hardly a typical lecture hall – and it’s not just because they’re too poor to buy clothes either, but for a new calendar!

„It’s not just because…“ kann man meiner Meinung nach schon eher als Form des Protestes lesen, wobei im Rest des Artikels auch hier nirgendwo erwähnt wird, dass es sich um eine Protestaktion handelt.

Auch in vereinzelten Blogs liest man, dass es sich um eine Art von Protest handelt bzw. die Blogeinträge legen diese Interpretation nahe. Aber schon Terry Pratchett stellte im Scheibenweltroman „Die volle Wahrheit“ fest: Die Lüge läuft einmal um die ganze Welt, bevor die Wahrheit die Stiefel angezogen hat. Wer übrigens eine Übersicht über die Pressereaktionen haben will, auch wenn diese häufig aus einer Verwurschtung des BILD-Artikels bestehen, dem sei die Presse-Übersicht auf der un.geniert Seite empfohlen.3

Die Werbung, die durch die ganzen „Fehlberichte“ für den Kalender entsteht, ist sicherlich nicht schlecht für das Projekt und ich gönne ihnen jegliches verkauftes Exemplar. Bezeichnend für die Berichterstattung der Boulevard-Presse ist es allerdings schon. Das Ganze macht übrigens unter dem falschen Etikett auch bei Facebook oder Twitter seine Runde.

fb1

Von mir an dieser Stelle nur die Empfehlung sich die Promo-Bilder anzugucken und bei Gefallen den Kalender zu bestellen. Mir gefällt das, was ich bisher gesehen habe und demnächst werden mindestens zwei Kalender gekauft. Einer für mich und einer zum Verschenken. Auricher dürfen mir auch das Geld geben und ich hol den für euch hier vor Ort. Für ganz schnelle Überweiser kann ich das sogar am Wochenende schon tun, ansonsten halt Höhe Weihnachten.

Abschließend noch als kleiner Anreiz auf die un.geniert Seiten zu klicken, das Titelblatt des Kalenders:

Mit freundlicher Genehmigung des un.geniert-Teams.
Kalender Covergirl - Foto: Wolf Brüning - Ort: Hassel-WG (Mit freundlicher Genehmigung des un.geniert-Teams)

Für alle, die den Kalender zum Preis von 13€ erwerben wollen, gibt es ihn in folgenden Verkaufsstellen:

• Studentenrat der Hochschule-Magdeburg-Stendal (FH)
• Infopoints des Studentenwerks
• FasRa IWID
• FasRa KuM
• FasRa Bauwesen
• Studierendenrat der Universität Otto-von-Guericke
• FaRa FIN
• FaRa des FB Verwaltungswissenschaften in Halberstadt an der HS Harz
• Blutbank Magdeburg
• SC Baracke
• Studentenklub Kiste e.V.
• Hyde
• Flowerpower
• Thalia Buchandlung Allee Center
• bei allen un.geniert Engeln

Nachtrag: Die Niederländer bzw. Belgier sind übrigens auch lustig. Die machen aus Magdeburg mal eben Maagdenburg (Maagden=Jungfrau) und wundern sich über den Namen.

  1. Der Gewinn wird für studentische Zwecke gespendet. []
  2. Wobei an dem BILD-artikel auch folgende Passage sehr lustig ist: „Die Produktgestaltungs-Studentin hatte viel Spaß beim Shooting. „Es war alles sehr lustig und unverkrampft. Und die Fotos sind toll geworden, da bin ich sogar stolz drauf,“ sagt Anke. „Meine Eltern wissen allerdings nichts davon, ich bin konservativ erzogen worden.“ – Kann man ja nur hoffen, dass die Konservativen auch konservativ in Bezug auf Google sind und die BILD-Online-Ausgabe nicht lesen… []
  3. Wer etwas über unsere Gesellschaft lernen will, der gucke sich die Kommentare vor allem bei der BILD an. []

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